Software-Entwicklung durch Fachangestellte – ein Gamechanger? Was es beim Citizen Development zu beachten gibt

Ein Gastbeitrag von Gerd Plewka * 4 min Lesedauer

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Viele Unternehmen setzen aufgrund des Fachkräftemangels auf Citizen Development. Ein Ansatz, der die Arbeitslast von Mitarbeitern reduzieren sowie Kosten und Zeit sparen soll. Doch wie muss die erfolgreiche Umsetzung aussehen?

3-1 Das Programmieren nach dem Baukastenprinzip ist kein Selbstläufer, sondern sollte vernünftig vorbereitet sein.
3-1 Das Programmieren nach dem Baukastenprinzip ist kein Selbstläufer, sondern sollte vernünftig vorbereitet sein.
(Bild: Gerd Altmann / Pixabay)

Für Unternehmen wird es immer schwieriger, qualifizierte IT-Fachkräfte – insbesondere Software-Entwickler – zu finden. So hat eine aktuelle Bitkom-Studie ergeben, dass in der deutschen Wirtschaft branchenübergreifend etwa 137.00 IT-Expertinnen und -Experten fehlen.

Vor diesem Hintergrund wenden sich Unternehmen immer öfters dem Konzept der Citizen Developer zu. Bei den sogenannten Citizen Developer handelt es sich um technisch versierte Mitarbeiter ohne tiefgehende Programmierkenntnisse, die mithilfe von Low- oder No-Code-Tools, Geschäftsprozesse für ihren jeweiligen Fachbereich automatisieren.

Theoretisch verspricht dieser Ansatz, Kosten für die Rekrutierung und Einstellung von Entwicklern zu sparen, jedoch ist die Realität oft eine andere. Angehende Citizen Developer müssen sich neben Prozessautomatisierungen gleichzeitig auch auf andere Aufgabenbereiche ihres Berufs fokussieren.

Der ständig herrschende Arbeitsdruck wirft die Frage auf, zu welchem Zeitpunkt die lernwilligen Mitarbeiter geschult werden sollten. Aus welchen Einheiten würde das Schulungsprogramm bestehen und wann kann mit den ersten Ergebnissen gerechnet werden? Sollten demnach die eigenen Mitarbeiter zu Citizen Developer umgeschult werden oder profitieren Unternehmen mehr davon, wenn sie Vollzeitentwickler mit den gleichen benutzerfreundlichen No-/Low-Code-Tools ausstatten?

Mit welchen Herausforderungen Unternehmen rechnen müssen

Durch den Einsatz von Citizen Development versprechen sich Unternehmen einige Vorteile, darunter Zeit- und Geldersparnisse, die Entlastung von IT-Mitarbeitern und generell mehr Fortschritt und Innovation im Unternehmen. Dennoch müssen sie sich bewusst sein, dass ihr Einsatz auch einige Herausforderungen mit sich bringt.

So kann aus den entwickelten Anwendungen der Citizen Developer schnell eine unkontrollierte Schatten-IT entstehen. Dies trifft dann zu, wenn Mitarbeiter eigenständig, ohne die Unterstützung und das Wissen der IT-Abteilung, Lösungen für ihre Fachabteilung entwickeln und betreiben. Dadurch entstehen parallele, inoffizielle Zweitsysteme, die neben der ursprünglichen IT-Architektur existieren und mitunter nicht den Unternehmensvorgaben bezüglich Sicherheit, Kontrolle, Zuverlässigkeit, Dokumentation und Qualität entsprechen.

Da auch meist nur die eigene Fachabteilung und damit eine begrenzte Anzahl der Angestellten von den Automatisierungslösungen wissen und für sich nutzen, wird eine Integration in die eigene Business-Ebene unmöglich. Andere Abteilungen eines Unternehmens ziehen somit keinerlei Vorteile von ihrer Existenz.

Was nicht vergessen werden darf

Steht für die Führungsebene eines Unternehmens fest, Citizen Development in den Betrieb einzuführen, muss dies entsprechend kommuniziert und die gesamte Belegschaft über die Leitvorstellung des Unternehmens aufgeklärt werden. Umfangreiche Präsentationen können Angestellten vorführen, welche Vorteile Low- oder No-Code-Tools zur Automatisierung von Geschäftsprozessen haben und inwiefern Citizen Development die teamübergreifende Zusammenarbeit verbessern kann. Dies verhilft zu mehr Akzeptanz bei der Belegschaft.

Für das eigenständige Automatisieren von Geschäftsprozessen benötigen Citizen Developer zunächst eine geeignete No- oder Low-Code-Automatisierungs-Plattform. Eine solche Plattform ermöglicht Anwendern durch die Kombination von Funktionalitäten wie in einem Baukastenprinzip, das Entwerfen und Entwickeln von Anwendungen für die täglichen Geschäftsabläufe.

Das Erlernen neuer Fähigkeiten allein ist allerdings eine zeitintensive Aufgabe und erfordert viel Geduld. Die gewählte Automatisierungs-Plattform sollte aus diesem Grund auch von Personen mit geringem technischem Vorwissen bedienbar sein und möglichst ein System bieten, das leicht erlernbar und zu bedienen ist. Neben der Plattform muss darüber hinaus auch ein spezielles Schulungsprogramm für die angehenden Citizen Developer zur Verfügung gestellt und ihre exakte Rolle beziehungsweise ihre Aufgabenbereiche definiert werden.

Was die Aufstellung eines Citizen Development Kompetenzteams betrifft, sollte die Auswahl auf diejenigen technisch bewanderten Mitarbeiter fallen, die das nötige Maß an Engagement und Interesse zeigen, sich zu einem Vollzeit-Citizen-Developer weiterzubilden. Den Prognosen von Gartner zufolge werden bis zum Jahr 2024 80 Prozent der Technologieprodukte und -dienste von Nicht-IT-Fachleuten entwickelt.

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Der Vorteil: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den eigenen Fachabteilungen wissen bestens Bescheid, welche internen Prozesse Automatisierungsbedarf haben, damit die aktuellen Bedürfnisse der Belegschaft gedeckt werden können. Somit wird sowohl der Mitarbeiter als auch das gesamte Unternehmen flexibler.

Stellt ein Unternehmen eine geeignete Automatisierungsplattform sowie potenzielle Citizen Developer bereit, wird von der IT Unterstützung in Form eines effizienten Center of Excellence (CoE) benötigt. Seine entscheidende Rolle ist es, Best Practices festzulegen, Schulungen und Workshops für Mitarbeiter vorzugeben und vor allem für Sicherheit und Compliance im Unternehmen zu sorgen. Auch haben sie eine Mentoren-Rolle gegenüber den angehenden Citizen Developer und bieten diesen die nötige Unterstützung bei aufkommenden Fragen und Problemen zu Anwendungen.

Während Citizen Developer durch das CoE eine direkte Unterstützung sichergestellt wird, gibt das Development Team, das durch seine Lösungen in einen Teil der IT eingebunden wird und einige ihrer Aufgaben übernimmt, IT-Mitarbeitern die Chance, sich auf komplexere Aufgaben ihres Fachgebiets zu widmen.

Der wachsende Digitalisierungsbedarf und die knapp werdenden IT-Personalkapazitäten stellen Unternehmen heutzutage auf die Probe. Bei einer korrekten Umsetzung kann Citizen Development eine Chance für diese sein, ihrem Digitalisierungsbestreben und damit auch einer Transformation ihres Unternehmens näher zu kommen. Dafür müssen Unternehmen Citizen Developer jedoch als Vollzeitstelle betrachten und nicht als Mitarbeiter, die nebenbei selbstständig Automatisierungen entwickeln.

Gerd Plewka
Gerd Plewka
(Bild: Blue Prism)

Unternehmen sollten es sich daher zur Aufgabe machen, technisch-versierten Mitarbeitern ohne Programmierkenntnisse die Möglichkeit zu geben, sich Vollzeit mit dem Thema zu beschäftigen. Denn obwohl Low-/No-Code-Plattformen fehlendes Wissen kompensieren können, fehlt dennoch die Zeit sowie die Strategie hinter den Automatisierungen. Nur bei Erfüllung dieser Rahmenbedingungen kann Citizen Development eine sinnvolle Unterstützung sein, um die Produktivität und Innovation des gesamten Betriebs zu optimieren.

* Gerd Plewka ist Head of Solution Consulting Central, East and North Europe bei SS&C Blue Prism. Gemeinsam mit seinem Team berät er Kunden vor sowie während der Einführung von Intelligenter Automatisierung und begleitet sie in der Skalierungsphase. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Technologie-Branche in unterschiedlichen Positionen. Bevor Gerd zu SS&C Blue Prism kam, war er unter anderem bei Sun Microsystems und Oracle Deutschland tätig.

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