Interview mit Annette Maier von UiPath „Wenn wir nicht automatisieren, nützt uns auch die Cloud nicht viel“

Das Gespräch führte Dr. Harald Karcher

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Genau wie physische Roboter übernehmen auch Software-Roboter repetitive Aufgaben. Im Zuge dieser Automation werden die Prozesse oft intelligenter gestaltet. Meist sind sie danach sogar besser für die Cloud geeignet. Doch Robotic Process Automation (RPA) läuft auch On-Premises.

Software-Roboter können Verwaltungsprozesse durchleuchten, um sie danach effizienter zu gestalten und zu automatisieren.
Software-Roboter können Verwaltungsprozesse durchleuchten, um sie danach effizienter zu gestalten und zu automatisieren.
(Bild: Blue Planet Studio - stock.adobe.com)

Annette Maier ist seit 1. Februar 2021 Area Vice President Central and Eastern Europe bei dem marktführenden RPA-Anbieter UiPath. Zuvor war sie bereits bei etlichen IT-Konzernen im Management tätig: Sales Director Software Germany bei HP, Vice President Germany bei VMware und Managing Director Google Cloud Germany – 20 Jahre „geballte“ Erfahrung im General Management also. Warum sie Google verlassen hat, RPA so faszinierend ist und Cloud-Strategien ohne eigentlich weniger erfolgreich sind, erklärt Annette Maier im Interview.

Annette Maier, Area Vice President Central and Eastern Europe bei UiPath, im Video-Talk mit Harald Karcher, moderiert von Janne Virtanen von UiPath.
Annette Maier, Area Vice President Central and Eastern Europe bei UiPath, im Video-Talk mit Harald Karcher, moderiert von Janne Virtanen von UiPath.
(Bild: Harald Karcher)

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Harald Karcher: Was ist nun RPA bzw. ausgesprochen Robotic Process Automation?

Annette Maier: RPA steht für die Automatisierung von Prozessen. Aber RPA ist nicht alles. Wir betrachten einen Prozess komplett, von seiner Wertschöpfung bis zum Ende. Am Beginn der Prozessautomatisierung steht das Process Mining, also die Analyse des Prozesses: Ist der aktuelle Prozess richtig und effizient? Welche Aufgaben sind diesem Prozess zugeordnet? Anschließend werden die bisher manuellen Prozesse mit Hilfe von RPA automatisiert, gleichzeitig können sie mit unterschiedlichen Intelligenzen noch effizienter und einfacher für die Anwender gemacht werden.

Soweit die Theorie. Wie funktioniert das in der Praxis?

Maier: Machen wir ein Beispiel: Sie bekommen Rechnungen herein, für Aufträge, die Sie vergeben haben. Dann wird mit RPA nicht nur die Rechnung mit dem Auftrag abgeglichen und automatisiert zur Zahlung freigegeben, sondern sie können auch mit einer Technologie namens Document Understanding Dokumente auslesen und beurteilen, welche Art von Abweichungen entstanden sind. Über die Zeit kann das System lernen, welche Informationen für das Dokument ebenfalls relevant sind. Wir sprechen zwar immer gerne von RPA, aber es ist die gesamte Prozesskette, die durch unsere Plattform unterstützt wird.

Worin bestehen die Vorteile für den Anwender?

Maier: Sie haben heute in einem Unternehmen unendlich viele Applikationen, und wenn Sie einen Prozess automatisieren wollen, dann brauchen Sie Informationen aus den einzelnen Applikationen. Sie haben eine SAP-Anwendung, eine Salesforce-Anwendung, und so weiter, aus der Sie Infos ziehen müssen, um den gesamten Prozess abzubilden. Unsere Plattform stellt diesen sogenannten Engagement Layer zur Verfügung und kann darüber hinaus auch bei der Automatisierung des Application Testings unterstützen. Was bedeutet das? Sie haben heute eine Applikation mit der Version 4 und morgen arbeiten sie mit der nächsthöheren Version 5. Nun müssen sie als Anwender sicherstellen, dass alle Funktionalitäten, die Sie benötigen, auch vorhanden sind. Dies wird in der Regel manuell von den Businessanwendern überprüft. Um hier Zeit und Aufwand zu sparen, können die Anwender diese manuellen Tests mit UiPath automatisieren.

Was wäre denn der einfachste Fall, um in RPA einzusteigen?

Maier: Es gibt „attended“ und „unattended“ Prozesse: Letztere laufen durch ohne das Eingreifen eines Menschen. „Attended“ heißt, sie haben einen Prozess, bei dem der Mensch noch teilweise eingreift. Ich mache ein Beispiel: Alle Rechnungen unter 20 Euro werden automatisch bezahlt. Ab 50 Euro muss nochmals explizit geprüft und freigegeben werden, dies wird als „attended“ bezeichnet.

Was hat das nun aber mit Robotern zu tun?

Maier: Sie können selbst einen Roboter entwerfen, der ganz einfache manuelle Prozesse automatisiert, zum Beispiel Ihre Inbox durchsucht, alle E-Mails herausfiltert, die Rechnungsdokumente enthalten, und diese dann mit unserer Technologie automatisiert in einen separaten Ordner namens Rechnungen ablegt. So einen Roboter oder Bot kann man als Mitarbeiter in der Tat selbst bauen. Diesen Software Roboter muss man sich als digitalen Assistenten vorstellen, der einem über die Schulter schaut, die manuellen Prozesse, die sich wiederholen, erfasst und diese dann in einen Prozess gießt, der die zeitaufwändigen manuellen Prozesse schnell und effizient automatisiert abarbeitet.

Wie lange dauert die Erstellung eines einfachen Roboters?

Maier: Unsere Kollegen automatisieren Ihnen einen einfachen Prozess in ein bis zwei Stunden. Ein weiteres Beispiel ist die Bearbeitung von Melderegister-Anfragen, dies wird heute meist noch manuell abgearbeitet. Die Melderegisteranfrage kommt über das Bürgerportal herein – es wird ein Abgleich mit den erfassten Melderegisterdaten gemacht, basierend darauf wird eine Bestätigung der Meldebescheinigung per PDF erstellt und in einen Ordner zur Dokumentation abgelegt. Dieses PDF wird dann wieder an eine E-Mail angehängt und im Bürgerportal hochgeladen, wo der Bürger sich die Bescheinigung dann herunterladen kann. Dies ist ein einfacher Prozess, hier wird nicht in viele verschiedene Applikationen eingegriffen und somit lässt sich dieser Prozess schnell und einfach automatisiert abbilden.

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Somit ist RPA also besonders für repetitive Büroarbeiten geeignet?

Maier: Richtig. Es sind die sich immer wiederholenden Aufgaben und solche mit hohen Fehler-Quoten, wenn man sich aus verschiedenen Bereichen Daten manuell herausziehen oder sogar abschreiben müsste. Wenn man dies automatisiert, vermeidet man zum Beispiel Übertragungsfehler. Dies gilt auch für sehr komplexe Prozesse, bei denen aus verschiedenen Applikationen unterschiedliche Informationen extrahiert werden müssen.

RPA und KI helfen bei der Digitalisierung der Geschäftsprozesse.
RPA und KI helfen bei der Digitalisierung der Geschäftsprozesse.
(Bild: UiPath)

Gibt es auch jenseits reiner Büroarbeit Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie und Produktion?

Maier: Ja, überall dort, wo es immer wiederkehrende Prozesse gibt. Beispielsweise, wenn Sie morgens Ihren Rechner hochfahren, fünf Applikationen aufmachen und überall Ihr Passwort eingeben und dann auch noch fünf Excel-Dateien von A nach B kopieren müssen. Mit Hilfe des auf dem Laptop installierten Assistenten werden über eine bestimmte Zeit hinweg die sich wiederholenden Aufgaben erfasst – Path Capture – und basierend darauf ein Beispiel-Prozess vorgeschlagen. Diesen können Sie so annehmen oder modifizieren, und zukünftig ihre manuelle Tätigkeit durch diesen Prozess übernehmen lassen. Es ist egal, ob das ein Mitarbeiter im Büro oder in der Produktion ist. Es kommt nur darauf an: Ist es eine sich immer wiederholende Aufgabe? Auch Kuka, selbst Automationsexperte, nutzt unsere Software-Automatisierungen.

Gibt es Parallelen zwischen einem Kuka-Roboter und einer UiPath-Software?

Maier: Wir ergänzen uns gegenseitig: Diese physischen Roboter automatisieren ja ebenfalls sich immer wiederholende Aufgaben. Bei uns sind es dann beispielsweise Jahresabschlüsse. Insbesondere im Finanzbereich gibt es sehr große Potenziale für Automatisierung. Aber auch bei Kuka müssen Mitarbeiter bei neuen Projekten oft unheimlich viele Kataloge konsultieren, die Teile heraussuchen, die sie benötigen, um das nächste anstehende Projekt zu bestücken. Das kann man automatisiert machen: Passende Teile finden, zugehörige Preise suchen, Projekt konfigurieren, Angebot erstellen, das sind immer wieder sehr ähnliche oder gleiche Abläufe.

Kommen Sie meist über den Finanzbereich in die Firmen?

Maier: Wir sind auch im HR-Bereich sehr stark, denn auch im Onboarding und Offboarding können sehr viele Aufgaben automatisiert werden. Aber ja: Finanzen, Rechnungen, Jahresabschlüsse, Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, überall dort, wo Sie Zahlen und Dokumente abgleichen müssen, kann Prozessautomatisierung eingesetzt werden.

Läuft denn RPA auch in der Cloud oder eher nicht?

Maier: Ich bin ein Cloud-Fan: Denn Sie können alles in der Cloud laufen lassen. Der Kunde entscheidet selbst, in die Cloud zu gehen oder nicht. Wir bieten On-Premises- und Off-Premises-Lösungen an. Unsere Software läuft aber auch in der Cloud. Lediglich Task Capture läuft auf Ihrem Laptop, sonst ist alles in der Cloud verfügbar. Sie können zudem frei wählen, welchen Cloud-Anbieter Sie nutzen wollen.

Was spricht denn für RPA aus der Cloud?

Maier: Es sind die klassischen Parameter, die Sie generell für die Cloud haben: Performance, Agilität und Kosten: Also nur was genutzt wird, wird auch abgerechnet.

Können Sie in diesem Zusammenhang Agilität erklären?

Maier: Sie sind agiler mit der Cloud. Wenn Sie heute ein eigenes Rechenzentrum haben und am Ende der Kapazität sind, können Sie diese nicht sofort hochfahren. Es braucht Zeit, bis Sie die neue Hardware beschafft und installiert haben. Das haben Sie in der Cloud nicht, dort steht On-Demand neuer Speicherplatz sofort zur Verfügung. Und Sie können sich die Komponenten unserer Lösung flexibel dazunehmen, genau nach Ihrem Bedarf. Nehmen wir Document Understanding. Wenn Sie heute 50.000 Dokumente lesen müssen, übermorgen 100.000 und vor Weihnachten 300.000, dann sind Sie agiler, wenn Sie das bei Bedarf aus der Cloud nehmen können. Wir haben auch Unternehmen mit einem eigentlich sehr gut gestreamlinten Datacenter: Sie nutzen einige Anwendungen in der Cloud, und andere lokal. Nur den Public Sektor findet man selten in der Cloud. Dort wird meist nur On-Prem angefragt.

Die renommierten Analysten von Gartner haben UiPath im Sektor RPA schon per Sommer 2021 die Number-One-Position rechts oben im Magic Quadranten bescheinigt.
Die renommierten Analysten von Gartner haben UiPath im Sektor RPA schon per Sommer 2021 die Number-One-Position rechts oben im Magic Quadranten bescheinigt.
(Bild: Gartner)

Hat die Cloud denn auch mehr Performance?

Maier: Ja klar, welches Unternehmen hat heute schon so ein Rechenzentrum zur Verfügung, so einen Support und so viel Security, wie Google, Amazon oder Microsoft? Das kann kein Unternehmen in dieser Art und Weise leisten. UiPath läuft bei allen drei Hyperscalern.

Das muss ich jetzt fragen: Warum haben Sie dann das Raketenschiff Google verlassen? Was ist das Besondere an UiPath?

Maier: Die UiPath-Technologie ist einfach sensationell. Für mich legt sie sehr viel Fokus auf die Zukunft und ich bin überzeugt, dass Automatisierung ein wesentlicher Bestandteil zwischen On-Prem und Cloud ist. Solange alles manuell ist, können wir so viel Cloud haben, wie wir wollen: Sie müssen es erst mal automatisieren, sonst nützt uns auch die Cloud nichts. Insofern ist unsere Automatisierung auch ein Stück Cloud-Enabler. Der zweite Grund ist die Firmenkultur. Die ist hier einfach herausragend. Und drittens sind es meine Aufgaben hier. Für mich war es spannend, den Börsengang mitzuerleben. Ich habe gesehen, wie ein Startup, bezeichnet als eines der wertvollsten in Europa, noch erfolgreicher sein kann, wenn man an die Börse geht.

Wenn Sie sagen „die Firmenkultur“ – geht das noch konkreter?

Annette Maier: Die Werte, die wir leben, sind: humble - bold - immersed - fast [bescheiden - mutig - tiefgehend - schnell]. Das sieht man auch immer wieder bei unserem Gründer und CEO Daniel Dines. Ich habe selten einen Menschen erlebt, der so bodenständig ist, so bescheiden, aber immer wieder mutig und mit Herz und Verstand bei der Sache. Das ist für mich sehr faszinierend, ein Unternehmen so transparent und auch mit viel Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter zu führen. Das ist sehr inspirierend. Diese Leidenschaft für die Technologie und wie man den Markt verändern kann. Wir nennen es „Automation for Good“.

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